Bürgermeisterbrief

Haushaltssperre – wie geht es weiter

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, 

vor wenigen Tagen hat sich bestätigt, was sich schon seit letztem Jahr abzeichnete: Die allgemeine wirtschaftliche Rezession schlägt voll bis zu den Kommunen durch und hat jetzt auch die Gemeinde Maisach erreicht. Die tiefgreifenden Auswirkungen hätte ich persönlich erst im Laufe des Jahres 2024 in diesem Umfang erwartet. Doch schon während des laufenden Jahres zeigte sich in Gesprächen mit Gewerbeunternehmen und Einzelhandel immer mehr die Realität: Die Folgen des negativen Wirtschaftswachstums in Deutschland – letzter Platz in Europa – zeigen ihre Auswirkungen. 

Vielfältige Einflussfaktoren 

Die Auswirkungen der Corona-Krise spielen hier noch eine erhebliche Rolle: Die Leistungsfähigkeit der Unternehmen war eingeschränkt, der teilweise Zusammenbruch vieler Zulieferketten behinderte Produktion und Vertrieb stark. Darüber hinaus lähmt die hohe Inflation nicht nur den Konsum, sondern auch Investitionen. Eine weitere Herausforderung für unsere Betriebe ist, wie im ganzen Bereich von Wirtschaft, Handwerk und Dienstleistung, der Fachkräftemangel, der eine Steigerung der Produktivität nicht zulässt.

Wie auf die privaten Haushalte wirkt sich die Verteuerung der Energie in entsprechender Dimension besonders extrem auf alle Unternehmen aus und belastet die Gewinnzone und damit die Grundlage für die Steuererhebung.

 Auf Energiekrise folgt Energiewende

 Ich persönlich halte es mehr als des Hinterfragens würdig, wie man nach der Pandemie, die die Wirtschaft schwer belastete, in der folgenden Ukraine- und Energiekrise, fern von aller wirtschaftlichen Realität, eine Energiewende und besonders die Abschaltung einer stabilen Eigen-Energieversorgung verantworten konnte.

Richtig ist, dass die Energiewende sinnvoll und notwendig ist, und auch, dass stärkerer Klimaschutz eine herausragende Bedeutung für unsere Lebensgrundlagen hat. Bei den getroffenen Entscheidungen zur Abschaltung einer CO2-neutralen stabilen Energieversorgung maß man jedoch der veränderten Situation für Bevölkerung und Wirtschaft wenig Bedeutung bei.

Mit dem überhasteten Vollzug erfolgte zudem ein höherer CO2-Ausstoß durch eine höhere Kohlestromproduktion.

 Bürokratie bremst Energiewende

 Die Gemeinde Maisach ist das Thema Energiewende sehr planvoll und zielstrebig angegangen. Die bestehende Bürokratie sowie Konflikte zwischen Energiewende, Arten- und Naturschutz machen die Energiewende aber zu einem langen, zähen Prozess, der noch viele Jahre dauern wird. Hier zeigt sich, dass neben den Entscheidungen, die auf höherer politischer Ebene getroffen wurden, die umfassend notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen fehlen, auf deren Basis etwa eine beschleunigte Umsetzung von Windrädern, Leitungs-Trassen, neue Umspannwerke, Energieerzeugungsanlagen im Außenbereich oder Bürgerstrommodelle zeitnah möglich sind. Dadurch verlieren wir unnötig viel Zeit und Kraft, um die Energiewende mit höchster Priorität voranzubringen. Somit darf es niemanden wundern, dass Unternehmen in Deutschland das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Standorts immer mehr verlieren und Investitionen in anderen Ländern tätigen.

 Wohlstand ist nicht selbstverständlich

 Persönlich bin ich schon länger der Meinung, dass unser Land an Selbstüberschätzung leidet, was die finanzielle und gesellschaftliche Leistungsfähigkeit betrifft. In den enormen wirtschaftlichen Wachstumsjahren, bis 2019, schlich sich die Wahrnehmung ein, dass unser Land mit Geld alles leisten kann. Hinzu kam eine Wachstums- und Technologie-Feindlichkeit. Ein Gefühl breitete sich aus, dass der bestehende Wohlstand eine Normalität ist und nicht jeden Tag auf Neue angestrebt und erarbeitet werden muss.

 Fleiß und Innovationskraft

 Eine Grunderkenntnis sollte in unserem Land nie verloren gehen: Wir sind kein Land mit reichhaltigen Bodenschätzen, unser Wohlstand basiert seit Jahrzehnten auf dem Fleiß und der Innovationskraft der Bürgerinnen und Bürger und unserer Handwerks-, Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe. Diese Erkenntnis gilt es wieder zu beleben, Innovation und Leistung müssen sich für den einzelnen Menschen und das einzelne Unternehmen wieder mehr lohnen. Vielleicht sollten wir den Blick zunächst wieder mehr nach innen richten und unsere eigenen Probleme lösen, bevor wir uns als Problemlöser für die ganze Welt zu sehr verausgaben.

 Den Gürtel enger schnallen

 Deshalb nun der Blick zurück auf unsere Gemeinde. Schon letztes Jahr begannen wir, nicht unerhebliche Sparmaßnahmen einzuleiten. Dies stieß bei mehreren Bürgerinnen und Bürgern auf Unverständnis – angesichts von 50 Millionen Euro Rücklagen und einer Pro-Kopf-Verschuldung von nur 30 Euro. Nach Jahren eines Gewerbesteueraufkommens von 15 bis 18 Millionen Euro war erkennbar, dass die dunklen Wolken über der nationalen Wirtschaft auch uns keinen Sonnenschein bringen werden.

 Einschnitte sind erforderlich

 Nun gilt es, die Realität anzunehmen. Bei einem Fehlbetrag von etwa zwei Millionen im Steueraufkommen geht es nicht mehr um Korrekturen, sondern um nachhaltige Einschnitte.

Die Ehrlichkeit den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber macht die klare Aussage erforderlich, dass es hier nur zwei Wege gibt: entweder die Verringerung der Angebote und Leistungen durch die Gemeinde oder die Anpassung von Einnahmen. Der sinnvolle Weg wird hier in der Mitte liegen, persönlich sehe ich die Belastungsgrenze für private Haushalte und Unternehmen als weitgehendst erreicht. Klar muss sein: Die Gemeinde kann bisherige Leistung nicht mehr in dem Umfang und zu dem Preis wie bisher anbieten.

 Besserung nur mittelfristig möglich

 Wichtig dabei ist auch, sich zu verdeutlichen, dass die wirtschaftliche Rezession in Deutschland unter anderem nur durch politische Entscheidungen und Reformen umgekehrt werden kann, an deren Spitze mit Sicherheit auch Steuersenkungen stehen werden. Deshalb ist nur mit einer mittelfristigen Besserung der Situation zu rechnen, und darauf müssen nicht nur wir uns als Gemeinde einstellen.

 Prioritäten planen, vorausschauend bleiben

 Derzeit reden wir auch über notwendige Investitionen in Feuerwehrhäuser und Schulen – alles Pflichtaufgaben, die wir auch weiterhin, jedoch mit veränderter Priorität in der zeitlichen Abfolge umsetzen müssen, damit Sicherheit und Schutz, aber auch die Bildung in unserer Gemeinde weiterhin bestmöglich aufrechterhalten werden können. Schwieriger wird es etwa bei der Sanierung des Bürgerzentrums, doch auch hier werden wir am Grundsatz festhalten: Die gemeindliche Gebäudesubstanz ist zu erhalten.

Trotz der veränderten Finanzsituation gilt es jetzt, einen klaren Kopf zu bewahren und vorrauschauend zu bleiben. Die Gemeinde Maisach hat in den letzten Jahren trotz einiger Widerstände das wirtschaftliche Leistungsspektrum weiter ausgebaut. Mit den richtigen Voraussetzungen in unserem Land werden diese Unternehmen auch wieder eine starke finanzielle Basis darstellen.

 Weitblick und Zuversicht

 Schließen möchte ich diesen Bürgermeisterbrief mit meinem persönlichen Grundsatz:

In der Krise gilt es, zusammenzustehen und genau zu analysieren, erst dann zu entscheiden.

Bereits in der Krise bereitet man den Aufschwung vor!

 In diesem Sinne wünsche ich Ihnen schöne November-Tage. Genießen Sie die Natur durch Spaziergänge – nichts lenkt mehr von Alltagssorgen ab und stärkt Körper und Seele.

Vom Kreislauf der Natur können wir auch lernen, dass es verschiedene Phasen gibt und nur durch eine starke Anpassungsfähigkeit dauerhaft gute Grundlagen bestehen können.

 

Mit besten Grüßen aus dem Rathaus

 Hans Seidl

1. Bürgermeister